INTERRELIGIÖSE SCHWESTERN:
EINE CHRISTLICHE SICHT
Meine persönliche Erfahrung im Glaubensaustausch war bis vor 10 Jahren gering aber innig und fast ausschließlich auf eine sich vertiefende Beziehung zu meiner Schwester Maylie Scott, eine Priesterin des Zen Buddhismus, beschränkt.Wir sind die Abkömmlinge von strikt nicht-religiösen Eltern, die meine jugendliche Begeisterung für das Christentum der American Episcopal Church anvertraut hatten. Maylie’s Hingabe zum Zen Buddhismus folgte nach einigen Jahren der Erforschung. Mein Weg führte mich nach Malling Abbey, als benediktinische Nonne in der Church of England; ihr Weg führte in die Zen Gemeinschaft nach Berkeley, Kalifornien, wo sie die meiste Zeit ihres Erwachsenenlebens verbrachte.
Die Zen Gemeinschaft in Berkeley ist einer von mehreren Ablegern des San Francisco Zen Center, das von Shunryu Suzuki (1903 – 1971) gegründet wurde. Er war Japaner, Sohn eines Soto Zen Priesters, und im Alter von 30 Jahren selbst für einen Tempel verantwortlich. Während des Zweiten Weltkrieges führte er eine pazifistische Gruppe in Japan an; 1959 wurde er eingeladen für etwa ein Jahr die japanische Soto Buddhist Gemeinschaft in San Francisco zu führen.
Soto Zen ist als die Schule „der stillen Erleuchtung“ bekannt, basierend auf der hingebungsvollen Praxis des Shikantaza oder „nur Sitzen“, einem Weg der allmählichen Praxis im Gegensatz zu Rinzai, das Koan Studien einsetzt (Rätsel, gemacht um den Denkprozess zu durchkreuzen um so zu einem plötzlichen Verstehen zu gelangen). Eine Reihe von Amerikanern, die Suzuki begegnet waren, fühlten sich von seiner ruhigen Authentizität angezogen und erbaten seinen Unterricht. Seine Methode bestand darin, sie einfach einzuladen mit ihm zu sitzen. Er fand sie empfänglich für Zen und so blieb er bis an sein Lebensende in den Vereinigten Staaten. Als er starb waren ein Kloster und zwei große Zentren in der Gegend um San Francisco etabliert.
Trotz der Verschiedenheit in grundlegenden Gesichtspunkten zwischen Buddhismus und Christentum gibt es bemerkenswerte Bereiche der Annäherung, vielleicht gerade für Ordensleute und Zen Praktizierende.
Beide halten sich an eine radikal einfache und suchende Meditationsform mit der Absicht, das ganze Leben zu durchdringen und zu verwandeln und nähren dadurch das Bewusstsein, mit allen fühlenden Wesen eins zu sein, der Einheit mit dem SEIN selbst.
Christen in der Tradition der Benediktiner, die eine konzentrierte Aufmerksamkeit auf das Wort Gottes betont, wie wir ihm in der Schrift, in den Sakramenten und in persönlichen Beziehungen zu anderen begegnen, können eine geistige Verwandtschaft mit den Anhängern des Soto Zen finden, das die häufige Praxis und die allmähliche Erleuchtung betont. Für beide besteht die Arbeit darin, eine gebündelte Achtsamkeit zu entwickeln für die Wirklichkeit, wie sie in unserer jeweiligen Tradition wahrgenommen wird.
Durch die räumliche Trennung und den spärlichen Briefwechsel während der etwa vierzig Jahre meines Klosterlebens waren physische Begegnungen mit Maylie selten, dennoch wurden wir uns der sich vertiefenden Verbindung sehr bewusst, vielleicht erwachten wir auch zu Verbindungen, die immer schon da waren und lediglich darauf warteten, erkannt zu werden. Wann immer Treffen möglich waren, erlebten wir ein starkes Verlangen miteinander Zazen zu sitzen, jede gemäß ihrer eigenen Tradition und gemäß ihrem Verständnis (obwohl ich gestehen muss, dass ich weniger Enthusiasmus für das Sitzen aufbrachte, wenn ich allein war). Indem wir das Sitzen teilten, entdeckten wir eine Weiterführung auf dem jeweiligen Weg, den wir eingeschlagen hatten.
Ich, geprägt durch den benediktinischen Weg, fand für mich eine größere Wertschätzung der Einheit von Geist, Körper und Seele, die sich in der physischen Körperhaltung des Halb-Lotus-Sitzes ausdrückte (das Äußerste, zu dem meine betagten Glieder imstande sind), wo die gesamte Person in Stille und Achtsamtkeit versammelt ist.
Solch eine Bewusstheit sollte keine allzu große Enthüllung für einen Anhänger einer Inkarnationsreligion sein, aber mir hat es meinen Anteil enthüllt an der tief verwurzelten Neigung der Christen, Körper und Geist aufzuspalten, zum Nachteil der Religion, der wir folgen, mit ihrer klaren Ehrerbietung für das Stoffliche, der Ganzheit und dem sozialen und ökologischen Eingebundensein.
Während einer der seltenen Besuche in Berkeley nahm Maylie mich zu einer Versammlung im Zen Center mit, wo ein Mitglied einen Vortrag hielt, in dem sie mit entwaffnender Ehrlichkeit von ihren Kämpfen mit ihrer Praxis sprach und von der ständigen Versuchung aufzugeben. Sie erzählte von einem Traum, in dem sie jenseits einer weiten Ebene einen leuchtenden Berg aus Glas sah und von der Mühe, die sie hatte zu dem Berg zu gelangen. Als sie schließlich am Fuß des Berges angekommen war, fühlte sie sich niedergedrückt von der
Unmöglichkeit den Berg zu ersteigen und gleichzeitig von der Unmöglichkeit aufzugeben. Die Schärfe eines solchen Konfliktes war jenen von uns, die sich nach Selbsthingabe an Gott im Gebet sehnen und darum ringen, nicht fremd.
Jene, die einer christlichen, klösterlichen Berufung folgen werden die lockende Liebe Gottes, wie im österlichen Mysterium Christi offenbart, ebenso kennen wie den Schrecken, das Leben zu verlieren, das Ego zu verlieren, Gottes Liebe zu gestatten in uns zu wohnen.
Das Bild eines Glasberges aus Unmöglichkeiten ist uns nicht unbekannt, doch die Bindung an klösterliche Stabilität hält uns davon ab, die Suche durch den Glauben, dass Inkarnation, Tod und Auferstehung Christi die Hoffnung auf ewiges Leben im Angesicht Gottes verwirklichen, aufzugeben.
Am Karfreitag 2001 wurde bei Maylie inoperabler Darm- und Leberkrebs diagnostiziert. Zu der Zeit hatte sie die Priesterweihe empfangen und leitete eine Gruppe von sehr engagierten Zen Praktizierenden in Arcata, Kalifornien. Da sie immer unverwüstlich erschienen war, traf die Diagnose bei ihrer Sangha, ihrer Familie und vielen Freunden auf völligen Unglauben. Ihr Zustand verschlechterte sich rapide und innerhalb eines Monats starb sie. Ich hatte das Privileg, die letzten 14 Tage ihres Lebens bei ihr zu sein, ihre sehr menschlichen Ängste und Bekümmernisse zu teilen und Zeuge zu sein von der Entschlossenheit und Würde ihrer Praxis, als sie in ihren Tod hineinwuchs in dem Wunsch, sich über den in ihrem Körper stattfindenden Prozess voll bewusst zu sein.
Während der letzten Tage und während sie bei vollem Bewusstsein war, bestand sie darauf jeden, der sie sehen wollte, zu treffen. Mitglieder der Sangha sangen oft das Herz-Sutra und eine überwältigende Stille war mit ihr bis am Nachmittag des 10. Mai der Tod eintrat. Ihr Begräbnis in der japanischen Zen Tradition fand in der darauffolgenden Nacht statt und dann wurde ihr Körper für die Einäscherung abgeholt. Ihr Andenken und ihr Geist bleiben für viele, die sie kannten und liebten lebendig.
Was jetzt folgt ist ein Bericht, den Maylie 1998 geschrieben hat.
Eine Zen Sicht:
Als meine Schwester 1960 in die St. Mary’s Abtei eintrat war sie fast 21 und ich war 25. Ich war verheiratet und das erste meiner drei Kinder war ein Baby. Ich war bewegt, verwirrt und ein wenig eifersüchtig auf ihr mutiges Bekenntnis. Während ich mich als Christin sah, hatte ich nie eine bedeutsame Beziehung zur Kirche gehabt und vermisste das. Noch trauriger, wenn ich abends das Vater Unser sprach, fühlte ich, dass ich nicht wusste, wie man betet; ich wusste, da war mehr. Hinter all dem war die beunruhigende Möglichkeit, mein gesamtes Leben zu leben und dabei „das Wichtigste zu verpassen“. Die Beunruhigung machte nicht viel Sinn; eine Familie zu haben schien angemessen und wichtig, aber als Schwester Mary John mit ihren Gelübden voranschritt, vertiefte sich die Notwendigkeit meine eigene spirituelle Verbindung zu finden.
Zwei weitere Kinder wurden geboren und unsere Familie ließ sich in Berkeley nieder, das – wie ich entdeckte – ein bemerkenswert fruchtbarer Boden für meine Suche war.
1971, kurz nach dem Tod von Suzuki Roshi, ging ich auf Empfehlung eines Freundes zum San Francisco Zen Center, um Zen Unterricht zu bekommen. Die Instruktionen von Dogen Zenji, Soto Gründer aus dem 13. Jahrhundert, sind radikal einfach. Sitze mit untergeschlagenen Beinen, lege die Aufmerksamkeit auf die Körperhaltung und den Atem, bleibe in der Gegenwart und beobachte, was geschieht. Sobald ich begann dies zu tun, war klar, dass die einzigen Begrenzungen dieser Erfahrung ich selbst war. Die Gegenwart ist tatsächlich unbegrenzt. Es war eine große Erleichterung, dass ich nicht an irgendetwas „glauben“ musste. Ich konnte das Direkt-Loslassen erfahren und dann dessen Verdunkelung – der Fall in die Gedanken, in das Dickicht meiner eigenen „Selbst – Gewohnheit“. Und doch war in jedem Moment die Gegenwart zugänglich. Es wurde sofort offensichtlich, dass dies ein lebenslanges Unterfangen sein würde; dass der Prozess von beobachten, fallen, zurückkommen zutiefst befriedigend war und ich gehe diesen Weg bis heute. Das war mein Gebet.
Suzuki Roshi sagte von seinem amerikanischen Studenten, dass sie „weder Mönche noch Laien“ sind. Im Lauf der Jahre hat sich mir das erschlossen. Längeres Sitzen, oder Shessins, halfen Konzentration zu entwickeln. Zwölf 40-Minuten-Einheiten an einem Stillen Tag bieten dem Verstand großartige Gelegenheit sich zu entfalten. Kleine und große Anhaftungen, Abneigungen und Obsessionen kommen und gehen. Was bleibt ist stabil und radikal frei, unabhängig von Ansichten. Dieser Zazen Prozess wurzelt in Geist-Körper-Achtsamkeit. Knie und Rücken protestieren und man versucht, sich nicht zu bewegen, sondern die Schwierigkeit als einen Freund zu akzeptieren, als eine hilfreiche Erinnerung daran, in der Gegenwart zu bleiben. Wo ist das Zentrum des Schmerzes? Kann man darüber hinaus gehen? Wem gehört der Schmerz? Während Schmerz unvermeidbar ist, konstruiert man das eigene Leiden („Ich hasse das. Ich muss verrückt sein, so was zu tun. Wann sind die 40 Minuten zu Ende?“ usw). Erstaunlicherweise führt das Leiden in tiefere, konzentriertere Energie. Und dann kehrt es zurück. Nach und nach beginnt der Prozess des Anerkennens dessen, was aufsteigt, des Loslassens und die daraus resultierende Intimität und Freiheit mit was auch immer aufsteigt, das eigene Leben zu klären. Dankbarkeit taucht auf und natürlich wird die Orientierung auf die Praxis größer, bewegt man sich von persönlichen Anhaftungen zum Gelübde, mit allen Wesen zu erwachen.
Die Ausbildung und Aufgaben eines amerikanischen Soto Zen Priesters werden schrittweise erarbeitet. In Japan war ein Priester üblicherweise der Sohn eines Priesters und erbte den Tempel mach einigen Studienjahren in einem Kloster. Ich wurde 1989 zum Priester geweiht, zu einer Zeit als der Abt von Verantwortlichkeiten außerhalb des Tempels in Anspruch genommen wurde. Grob gesagt, lautete das Kriterium des Abtes, dass ich bereits „als Priester fungierte“. Das heißt, ich kannte die Formen der Praxis, Gesänge und Rituale, hatte eine verbindliche Hingabe zum Zazen und zur Gemeinschaft, konnte Unterricht geben und Praxis-Diskussion (Seelsorge) anbieten. Während diese Definition seinerzeit für mich funktionierte, passt sie nicht für jeden, der Priester wird. Dieses Thema wird lebhaft diskutiert. In unserer Tradition gibt es drei Weihen. Die erste ist Jukai oder die Laienordination. Nachdem eine Person für ein Jahr oder mehr regelmäßig praktiziert hat, näht er/sie ein kurzes Gewand (sieht aus wie ein Leibchen), das rokusu heißt. Jeder kleine Nadelstich ist ein Gebet „Namu Kyai Butsu“ – „ich nehme Zuflucht in Buddha“. Er/sie erhält dann die Gebote, einen neuen Dharma-Name und ein Abstammungspapier, das die Linie bis zu Shakyamuni Buddha zurückverfolgt. Die Priesterweihe, Tokudo, erfordert umfangreiches Nähen (ein Gewand, ein „bowing cloth(?)“und ein weiteres rokusu). Wieder werden die Gebote gegeben, jedoch dieses Mal wird der Kopf rasiert und der neue Priester gelobt „das Zuhause zu verlassen“, um sein/ihr Leben fortan hauptsächlich dem Dharma zu widmen. Die dritte Ordination, Shiho genannt, ist eine Übertragungszeremonie, die den Priester bemächtigt, ein unabhängiger Lehrer zu werden. Wieder werden ein Gewand, ein „bowing cloth“(?) und ein rokusu genäht. Diese Zeremonie dauert 1-3 Wochen und wird vertraulich des Nächtens nur zwischen dem Abt und dem zu Weihenden ausgeführt. Die Vorbereitung für diese dritte Zeremonie, einschließlich des Studiums bestimmter traditioneller Schriftstücke, dauert mindestens ein Jahr. (Maylie erhielt diese Übertragung in 1998, in dem Jahr als dieser Artikel geschrieben wurde)
Schwester Mary John beschreibt die „Wertschätzung der Einheit von Geist, Körper und Seele“ innerhalb der benediktinischen Tradition. Solche Wertschätzung von „fleischgewordenem (inkarniertem) Bewusstsein“ ist spürbar sobald man durch die Pforte von St. Mary’s Abbey eintritt. Man kann nicht sagen, was es ist, aber seine Gegenwart durchsetzt die Gebäude, das Gelände und die Liturgie und manifestiert sich in der tief verwurzelten Freude, der Stille und der Ansprechbarkeit der Schwestern. Meine spirituelle Grund-Verbundenheit mit Schwester Mary John war immer gegenwärtig. Als wir kleine Mädchen waren, die ihre Lebensanfänge in einem Spielzimmer formten spielte ich in einer Ecke mit Puppen während sie Altar spielte – mit einer Klavierbank, verschiedenen Gegenständen und Dekorationen.
Als die Ältere entdeckte ich die Sonntagsschulen für uns, zu denen wir gehen konnten, denn unsere Eltern waren definitiv nicht an Religion interessiert. Als sie in das Kloster eintrat, wurde die spirituelle Verbindung, die wir teilten für mich sehr stark. Ich vermisste sie, aber ich wusste, sie und die Schwestern beteten für mich und das half und schütze mich in meiner eigenen Suche.
Obwohl wir so unterschiedliche Wege gehen, teilen wir doch eine kontemplative Sicht. Das haben mir vor eine paar Jahren die Lektüre von Die Wolke des Nichtwissens (The Cloud of Unknowing) und von Meister Eckhart verdeutlicht: die Wurzel des Gebetes. „Das mächtigste Gebet, beinahe allmächtig alles zu erreichen und das edelste Werk von allen, ist das, welches von einem leeren Geist ausgeht. Je leerer der Geist umso mächtiger, wertvoller, nützlicher, rühmlicher und perfekt das Gebet und das Werk. Ein leerer Geist vermag Alles .... (The Talks of Instruction, Maurice Walshe, Vol. III, p.12)